27th Meeting Walberberg, 1984

(Aus: pp. XI–XVI, Religious and Lay Symbolism in the Altaic World and Other Papers. Edited by Klaus Sagaster in collaboration with Helmut Eimer. Asiatische Forschungen, vol. 105, (Wiesbaden: Harrassowitz, 1989), 450 pp. ISBN 3-447-02775-4.)

Bericht über die 27. Arbeitstagung der
Permanent International Altaistic Conference (12.-17. 6. 1984 in Walberberg)

Die diesjährige Tagung der jährlich stattfindenden Konferenz von Altaisten (Turkologen, Mongolisten, Tungusologen) war das 6. Treffen auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland.
An der Tagung nahmen insgesamt 76 auswärtige Wissenschaftler aus 20 Ländern teil: Australien, Belgien, China (Republik), China (Volksrepublik), Dänemark, Deutschland (Bundesrepublik), Deutschland (Deutsche Demokratische Republik), Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Korea (Süd), Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden, Türkei, Ungarn, USA. Hinzu kamen 19 Wissenschaftler der gastgebenden Universität Bonn sowie einige Gäste, z.B. die langjährige Sekretärin der Permanent International Altaistic Conference am Department of Uralic and Altaic Studies der Indiana University in Bloomington, Indiana, Mrs. Karin Ford, und der ehemalige Presse- und Kulturattaché der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad, Herr F. A. Rosiny.
Die Tagung begann am 12. Juni 1984 mit dem traditionellen Begrüßungsabend, an welchem die ersten Gespräche und, wo nötig, das erste Kennenlernen stattfinden konnten. Als Vertreter der Dominikaner des Klosters Walberberg, in dessen Räumen die Tagung stattfand, gab Pater Alfred einen ebenso lehrreichen wie lebhaften Überblick über die Geschichte und die Aufgaben des Klosters.
Die Verhandlungen der Konferenz begannen am Vormittag des 13. Juni. Die Leitung der ersten Sitzung hatte Botschafter Dr. Gunnar Jarring, der damalige Präsident der Societas Uralo-Altaica. Die Tagung wurde von Professor Dr. Klaus Sagaster, dem Präsidenten des diesjährigen Treffens, und Professor Dr. Denis Sinor (Bloomington, Indiana), dem Generalsekretär der Permanent International Altaistic Conference, eröffnet.
Den ersten Vortrag hielt der Altmeister der Mongolistik, Professor Dr. Nikolaus Poppe (Seattle), der über „Symbolische Handlungen im mongolischen Schamanismus“ referierte und damit in das Gesamtthema der Tagung, „Religious and Lay Symbolism in the Altaic World“, einführte. Den turkologischen, geographischen und sachlichen Kontrapunkt hierzu setzte Professor Dr. Edward Tryjarski (Polnische Akademie der Wissenschaften, Warschau) mit seinem Vortrag „Der ‚Englische Gruß’ in einer armeno-kiptschakischen Handschrift wiedergefunden“. In den beiden weiteren Vorträgen des ersten Vormittags waren wiederum der Westen und der Osten des altaischen Bereiches vertreten. Frau Dr. Gabriella Schubert (Berlin) befaßte sich mit der Farbsymbolik der Türken und Südslawen auf dem Balkan, Dr. A. van Tongerloo (Löwen) mit der Zahlensymbolik in den zentralasiatischen Texten.
Am Nachmittag des 13. Juni fand in den Räumen des Seminars für Sprach-und Kulturwissenschaft Zentralasiens der Universität Bonn ein Empfang statt, der vom Rektor der Universität Bonn, vertreten durch den Altrektor Professor Dr. Hans-Jacob Krümmel, gegeben wurde. Professor Krümmel würdigte hierbei die Bedeutung der altaistischen Studien für die Universität Bonn. Der Generalsekretär der PIAC, Professor Sinor, dankte für die Unterstützung durch die Universität, das Land Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, welche die diesjährige Tagung in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht haben.
Am Spätnachmittag des gleichen Tages gaben vier Gelehrte Forschungsberichte, die symbolisch an die Stelle der sogenannten „Confessions“ traten, der Arbeitsberichte, die jeder Teilnehmer über seine eigenen Forschungen oder über die in seinem Institut oder Land von nicht anwesenden Kollegen durchgeführten Forschungsarbeiten zu geben pflegt. Wegen der ungewöhnlich hohen Anzahl der diesjährigen Teilnehmer und der entsprechend großen Zahl der Vorträge konnten für diesen Teil des Programms nur anderthalb Stunden vorgesehen werden. Von besonderer Bedeutung war hierbei, daß seit langem erstmals wieder ein koreanischer Gelehrter, Professor Dr. Choe Hak-kŭn (Seoul), an der Konferenz teilnahm, der über altaische Studien in der Republik Korea berichtete. Die drei weiteren Referate wurden von deutschen Wissenschaftlern gehalten. Professor Dr. Gerhard Doerfer (Göttingen) informierte über die altaistische Forschung in Göttingen, Dr. Hartmut Walravens (Hamburg, jetzt Berlin) über verschiedene bibliographische Vorhaben im Bereiche der Mandschu-Studien und Professor Dr. Klaus Röhrborn (Gießen) über Nebenergebnisse seiner Arbeit am uigurischen Wörterbuch.
Der nächste Tag (14. 6.) war mit seinen insgesamt zwölf Vorträgen wiederum fast ganz dem Hauptanliegen der diesjährigen Konferenz gewidmet, der Frage der Symbolik bei den altaischen Völkern. Der Bogen der Themen spannte sich vom Verhältnis zwischen Mythos und Geschichte bei den hunnischen Völkern (Professor Dr. Hans-Wilhelm Haussig, Berlin) über die Vorstellung vom kosmischen Menschen in türkischen Texten und türkischer Ikonographie (Dr. Emel Esin, Istanbul) und die Symbolik von Exorzismus-Ritualen bei den Mongolen (Dr. Alice Sárközi, Budapest) bis zu der von den alten Indern her auf die Völker Zentralasiens überkommenen Furcht, als Schwein wiedergeboren zu werden (Dr. Helmut Eimer, Bonn).
Am Abend des 14.6. gaben das Seminar für Sprach- und Kulturwissenschaft Zentralasiens und der Sonderforschungsbereich 12 (Zentralasien) einen Empfang für die Teilnehmer der Konferenz und für Vertreter von wissenschaftsfördernden Institutionen sowie für Kollegen von den Universitäten Köln und Bonn. Die Universität Bonn wurde u.a. durch ihren Prorektor Professor Dr. Werner Besch vertreten.
Die Vorträge am Vormittag des 15. Juni befaßten sich ebenfalls noch mit dem Generalthema der Tagung. Professor Ma Yong (Peking) berichtete über alte zentralasiatische Trinkgefäße aus Schädelschalen. Frau Dr. Veronika Ronge (Bonn) erklärte religiöse Symbole auf tibetischen Gebrauchsgegenständen und äußerte sich hiermit zu einer Frage, die insbesondere auch für die Gebrauchskunst des altaischen Volkes der Mongolen von großer Wichtigkeit ist. Professor Ch‘en Chieh-hsien (Taipei) behandelte in seinem Vortrag die religiöse und weltliche Symbolik der kaiserlich-mandschurischen Neujahrsbräuche. Mit der Symbolik des tungusischen Schamanismus befaßte sich Dr. Michael Underdown (Melbourne, Australien).
Am Vormittag des gleichen Tages fand unter der Leitung des Generalsekretärs, Professor Sinor, die traditionelle Geschäftssitzung der PIAC statt, wobei eine Dankesresolution beschlossen wurde. Hierbei wurde in geheimer Wahl dem namhaften Altaisten Professor Dr. Karl Heinrich Menges (Wien) die von der Indiana University in Bloomington (USA) gestiftete Goldmedaille für Verdienste auf dem Gebiete der altaistischen Forschung zuerkannt. Professor Menges, der anwesend war, nahm die Ehrung dankend an. Professor Dr. A. Csillaghy (Venedig) überbrachte eine Einladung der Universität Venedig, die 28. Arbeitstagung der PIAC im Jahre 1985 in Venedig abzuhalten. Die Einladung wurde dankend angenommen.
Am Nachmittag des 15. Juni hatten die Teilnehmer der Tagung Gelegenheit, sich auf einem Schiffsausflug auf dem Rhein zu erholen, die Landschaft südlich von Bonn kennenzulernen und — soweit sie dazu Lust hatten — weitere Fachgespräche zu führen. Diese Gelegenheit wurde insbesondere von den Gästen aus Osteuropa, Asien und Amerika sehr gern wahrgenommen.
Am 16. Juni mußten die Verhandlungen der Konferenz leider in zwei Sektionen geteilt werden, da sonst nicht alle der fristgerecht angemeldeten Vorträge hätten berücksichtigt werden können. Sektion A war den kulturwissenschaftlichen, Sektion В den sprachwissenschaftlichen Themen vorbehalten. An diesem Tage waren nur noch drei der fünf Vormittagsvorträge in Sektion A der Symbolik gewidmet: Frau Dr. Ruth Meserve (Bloomington, Indiana) berichtete über die Geschichte des Tätowierens in „Innerasien“, Frau Dr. Ingeborg Thalhammer (jetzt: Baldauf) (Freiburg i. Br., jetzt: Bamberg) untersuchte die religiöse Praxis özbekischer Frauen in Nordafghanistan, Frau Mária Salga (Bonn) befaßte sich mit dem Symbolismus in der modernen mongolischen Dichtung. In den beiden weiteren Vorträgen beschäftigten sich Dr. Nadir Devlet (München) mit dem Islam in Tatarstan und Professor Dr. Hans-Peter Vietze (Berlin) mit der Reise eines mongolischen Helden nach Afrika.
Von den sechs Nachmittagsvorträgen der Sektion A befaßten sich vier mit Themen der Geschichte und Religionsgeschichte der Mandschu. Dr. János Szerb (Wien) berichtete über den in tibetischer, mongolischer und chinesischer Fassung vorliegenden buddhistischen Lehrtext Śes-bya-rab-gsal, der als Einführung in den Buddhismus für einen Sohn des Mongolenkaisers Qubilai verfaßt worden ist. Dr. Peter Zieme (Berlin), einer der führenden Spezialisten auf dem Gebiete der altuigurischen Sprache und Literatur, untersuchte Titulaturen und Elogen uigurischer Könige.
Die fünf Vormittagsvorträge der Sektion В beschäftigten sich mit Fragen der türkischen Sprachwissenschaft. Auf großes Interesse stieß hierbei vor allem der Vortrag von Professor Dr. András Róna-Tas (Szeged) über eine kürzlich in Ungarn gefundene Runeninschrift. Auch die ersten drei Nachmittagsvorträge waren Fragen der türkischen Sprachwissenschaft gewidmet. Danach stellte Professor Dr. Stanislaw Kałużyński (Warschau) einige Charakteristika der mandschurischen Sibe-Sprache vor, und Professor Dr. Roy Andrew Miller (Seattle, Washington) führte uns schließlich bis nach Japan, indem er die altaischen Elemente in der ursprünglichen Sprache des japanischen Buddhismus untersuchte. Aus dem Rahmen der Sektion fiel notgedrungen, da zu spät angemeldet und nicht anders unterzubringen, der Vortrag von Frau. Dr. Lucyna Antonowicz-Bauer (Warschau) über die polnischen Tartaren und ihre Religion.
In einer gemeinsamen Sitzung der beiden Sektionen wurde schließlich am Spätnachmittag des 16. Juni 1984 die 27. Arbeitstagung der Permanent International Altaistic Conference beendet.

Teilnehmerliste