Internationale Altaisten-Konferenz in Mainz (1959)

(Source: H. Walravens (ed.): Aus dem Nachlass von Walther Heissig (1913–2005). Briefwechsel mit György Kara, Herbert Franke, György Hazai und Alice Sárközi sowie aus den Anfängen der Altaistenkonferenz (PIAC) Katalog mongolischer Blockdrucke in London. Paperback, 220 pages. ISBN-13: 9783739218830. Publisher: Books on Demand, June 4th, 2019. (pp. 168–169)

Erik Emig
Mainz-Bretzenheim
Grabenstr. 20

7.7.59

Herrn Professor Dr. Heissig
Ostasiatisches Institut
der Universität Bonn
Bonn
Liebfrauenweg 7

Sehr geehrter Herr Professor Heissig,

ich hatte Ihnen versprochen, Ihnen einen Durchschlag des Manuskriptes zu schicken von jenem Beitrag, den ich dem Südwestfunk, Landesstudio Rheinland-Pfalz in Mainz, für die Sendung „Mitteilungen aus dem kulturellen Leben“ zur Verfügung stellte. Wie mir mitgeteilt wurde, ist dieser Beitrag – in etwas gekürzter Form – heute gesendet worden und wird am Donnerstag auf dem UKW-Programm wiederholt.

Auch hoffe ich, daß Ihnen mittlerweile Belege des Aufsatzes in der Frankfurter Allgemeinen zugestellt wurden, ich hatte Ihre bitte an die Feuilletonredaktion weitergegeben. Hoffentlich enttäuschte Sie der Aufsatz nicht, es ist immer ein Leid, den beschränkten Raum einer Zeitung und die Notwendigkeit eines ausführlichen Berichts in Einklang zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Erik Emig

Erik Emig

Internationale Altaisten-Konferenz in Mainz

In der vergangenen Woche trafen sich 25 Mitglieder der seit zwei Jahren bestehenden Permanent International Altaistic Conferenz zu einer mehrere Tage dauernden Diskussion über aktuelle Probleme der Altaistik. Die Altaisten beschäftigen sich mit der Erforschung der Sprachen, Kulturen und Religionen der Völker, die im Gebiet des Altai-Gebirges in Zentralasien leben. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt der Verwandtschaft der altaischen, das sind die türkischen, mongolischen und tungusischen Sprachen und deren Dialekte, deren Urverwandtschaft, Kontaktbeziehung und Nivellierung durch die Edition, Übersetzung und Interpretation altaischer Literatur die Altaisten untersuchen und darstellen; durch die Kenntnis dieser Texte, das bisher älteste Sprachdenkmal der altaischen Völker stammt aus dem 6. Jahrhundert, können Schlüsse auf die soziologische Struktur und Entwicklung der altaischen Völker gezogen werden, die einen besonders ausgeprägten Nationalcharakter haben. Während die Völker und ihre Geschichte früher nur im Rahmen der Orientalistik oder Slawistik oberflächlich behandelt werden konnten, wodurch eine Reihe falscher Vorstellungen entstand u. z.B. die, daß es nur rund 250 Texte mongolischer Literatur gäbe, während es in der Tat, wie der Bonner Mongolist Prof. Heissig nachweisen konnte, mehr als 7000 Titel sind, haben sich die Altaisten im Verlaufe des Internationalen Orientalisten-Kongresses in München 1957 zu der Permanent International Altaistic Conference zusammengeschlossen. Nur so erschien es möglich, die Forschungsarbeiten, für die es in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern keine Lehrstühle und Seminare gibt, zu intensivieren und Doppelarbeit zu verhindern. Anders ist es in den USA, wo das politische Interesse an den asiatischen Völkern gestiegen ist und heute eine Reihe von Lehrstühlen und Forschungszentren für Altaistik eingerichtet wurden. Auch in der Sowjetunion wird den altaischen Völkern große Aufmerksamkeit geschenkt, vor allem durch die Herausgabe von Grammatiken der verschiedenen Dialekte und Handbücher über Spezialfragen der Philologie, der Kultur- und Religionsgeschichte dieses bedeutenden zentralasiatischen Gebietes. Die im Westen arbeitenden Wissen­schaftler arbeiten eng mit den Experten der Sowjetunion zusammen, sind sie doch weitgehend von deren Material wie Texten, Expeditionsergebnissn u.ä. abhängig. Jedoch hat sich gezeigt, daß die Altaistik nicht nur eine rein philologische Seite, sondern ebenso soziologische und historische Aspekte hat, will man den Charakter der altaischen Völker objektiv beurteilen. Um diese Dinge, den Stand der Forschungen, zu diskutieren und zu koordinieren, die historischen Fundierungsmöglichkeiten altaischer Sprachforschung, Motivvergleiche in den Texten und die Bedeutung altaischer Grundwörter zu klären, treffen sich die Altaisten aus Deutschland, England, Frankreich, Italien, den USA, aus Polen, Österreich, Dänemark und der Türkei in der Mainzer Akademie. Die Altaistik ringt in Deutschland noch um ihre offizielle Anerkennung, um so wichtiger sind solche Arbeitstagungen.