2nd Meeting Mainz, 1959

(Aus: Permanent International Altaistic Conference Arbeitsbericht 1958-1960. (Printed as manuscript, n.d.), 32 pp.)

Bericht über die 2. Arbeitstagung der

Permanent International Altaistic Conference in Mainz

(23. bis 26. 6.1959).

Ebenso wie im vorhergehenden Jahre, fand auch 1959 die Arbeitstagung der Permanent International Altaistic Conference in den Räumen der Akademie der Wissenschaften zu Mainz statt, die vom Hausherrn, dem Generalsekretär der Akademie, Herrn Prof. Dr. Scheel, in großzügiger Weise wiederum zur Verfügung gestellt worden sind. Das Kultusreferat des Bundesinnenministeriums hat die Tagung wieder durch einen finanziellen Zuschuss wesentlich unterstützt. Herrn Prof. Dr. Scheel und dem Bundesinnenministerium sei auch an dieser Stelle noch einmal sehr für ihre Hilfe gedankt.
Zu unserer großen Freude hat sich der Kreis der Konferenzteilnehmer wesentlich erweitert. Es erschienen nicht nur alle Kollegen, die bereits zur vorjährigen Tagung gekommen waren, sondern auch die Herren Prof. Rahmeti Arat, Dr. Mansuroğlu, Dr. Ögel und Dr. Temir aus der Türkei, Prof. Zajączkowski aus Polen, Prof. Räsänen und Prof. Joki aus Finnland, Prof. Bombaci und Prof. Gandjei aus Italien, Prof. Frye aus USA und Dr. Bischoff aus Paris (jetzt Bonn). Lediglich Prof. Eberhard, der an der letzten Tagung als Gast teilgenommen hatte, konnte in diesem Jahr nicht kommen. Wie im Vorjahre, waren auch die französischen Kollegen nicht anwesend. Den Herren Prof. Kobayashi, Prof. Poppe und Prof. Ratchnevsky war eine Reise nach Bonn nicht möglich. Auch die Fachgenossen aus der Mongolischen Volksrepublik, der Sowjetunion und aus Ungarn mussten absagen. Viele der nicht erschienenen Kollegen sandten Grüße und Wünsche zum Gelingen der Tagung.

Somit nahmen an der Arbeitstagung teil:
1.  Prof. P. Aalto (Helsinki)
2.  Dr. C. R. Bawden (London)
3.  Dr. F. A. Bischoff (Paris, jetzt Bonn)
4.  Prof. A. Bombaci (Neapel)
5.  Dr. G. Doerfer (Göttingen)
6.  Prof. R. N. Frye (Harvard)
7.  Prof. A. v. Gabain (Hamburg)
8.  Prof. T. Gandjei (Neapel)
9.  Prof. W. Heissig (Bonn)
10. Prof. K. Jahn (Leiden)
11. Prof. A. J. Joki (Helsinki)
12. Dr. M. Mansuroğlu (Istanbul)
13. Prof. K. Menges (New York)
14. Dr. B. Ögel (Ankara)
15. Prof. U. Posch (Seattle)
16. Prof. O. Pritsak (Hamburg)
17. Prof. R. Rahmeti Arat (Istanbul)
18. Prof. M. Räsänen (Helsinki)
19. cand. phil. K. Sagaster (Bonn)
20. Prof. D. Sinor (Cambridge)
21. Dr. A. Temir (Ankara)
22. mag. art. K. Thomsen Hansen (Kopenhagen)
23. Prof. A. Zajączkowski (Warschau)

Gemäss den Beschlüssen der vorjährigen Tagung wurden in den Sitzungen vier jeweils durch ein Referat eingeleitete Themen behandelt. Zudem wurden am Vormittag des 1. Sitzungstages (24. 6.) die Arbeitsberichte über den gegenwärtigen Stand der altaistischen Forschung gegeben. Die Referate und die anschliessenden Diskussionen wurden auf Tonband aufgenommen. Die Bänder stehen den Teilnehmern der Tagung jederzeit zur Verfügung. Es ist geplant, den Hauptinhalt der Referate und Diskussionen in einer kurzen Broschüre zusammenzufassen.
Am Nachmittag des 24. sprach Prof. Sinor über Probleme der tungusischen Philologie. Da uns heute die eigentliche Feldforschung nicht möglich ist, müssen wir uns auf das im Westen zugängliche Material beschränken. Besonders für das dringend notwendige Studium des Mandjurischen bieten sich gute Möglichkeiten, desgleichen für vergleichende Studien, z.B. des Tungusischen und Mongolischen. An der Diskussion nahmen hauptsächlich die Herren Aalto, Menges, Joki, Pritsak und Räsänen teil.
Der nächste Tag (25. 6.) galt fast ganz dem Problem der Verwandtschaft der altaischen Sprachen. In seinem Referat lenkte Prof. Pritsak die Aufmerksamkeit u.a. auf eines der wichtigsten Kriterien für die Rekonstruktion der uraltaischen Formen, nämlich die Vertretung der ursprünglich langen Vokale im Türkischen. Der Referent betonte die Wichtigkeit der Beachtung der historischen Nachrichten, die sich in den chinesischen Quellen über die altaischen Völker finden und die dazu beitragen könnten, zu weiteren Ergebnissen als denen zu kommen, die durch die vergleichende Grammatik des Türkischen, Mongolischen und Tungusischen zu erzielen seien. Wenn auch die Frage der Urheimat eines Volkes nicht mit Sicherheit ermittelt werden könne, besonders nicht bei Nomadenvölkern, so stehe doch fest, dass die heutigen Träger der altaischen Sprachen keine neuen Völker mit neuen Sprachen seien, sondern seit Anfang der historischen Zeit ungefähr die gleichen Wohnsitze besassen, die sie heute besitzen. Auf den Vortrag folgte eine sehr lebhafte Diskussion. Die von Prof. Pritsak angeregte Einbeziehung historischer Quellen zur Lösung der Frage nach der Verwandtschaft der altaischen Sprachen wurde begrüßt, doch wurde betont, dass zur Erhärtung der Pritsak’schen Thesen noch sehr eingehende weitere Quellenstudien nötig seien.
Am Nachmittag des 25. wurde die Diskussion über die Urverwandtschaft weitergeführt. Anschliessend behandelte die Konferenz im gemeinsamen Gespräch als Versuch einer Themenvergleichung Tiermotive in mongolischen und türkischen Epen und Volksmärchen. Hauptpartner dieses Gespräches, welches noch mehr als die anderen der Forschungsanregung als dem Vortrag erzielter Ergebnisse dienen sollte, waren Frau Prof. v. Gabain, Prof. Heissig und Prof. Pritsak.
Am Vormittag des 26. behandelte Prof. Posch die Frage der altaischen Grundwörter und sprach hierbei über die Namen von Körperteilen in den türkischen, mongolischen und tungusischen Sprachen. An der folgenden kritischen Diskussion beteiligten sich in der Hauptsache die türkischen Kollegen sowie die Herren Räsänen, Zajączkowski, Pritsak, Menges, Sinor und Thomsen.
In der Abschlußsitzung am Nachmittag des 26. 6. wurde zunächst eine von allen habilitierten Kollegen unterzeichnete Resolution beschlossen, in der die Errichtung von unabhängigen Fachvertretungen der Altaistik und ihrer Einzeldisziplinen an den Universitäten und in den wissenschaftlichen Körperschaften gefordert wird, da bei dem heutigen Stande der Forschung eine Unterordnung der altaistischen Fächer unter ihre Nachbardisziplinen nicht mehr zu vertreten sei. Die Resolution wird an die Rektorate aller deutschen Universitäten und an den Wissenschaftsrat versandt. Jeder ausländische Kollege erhält ebenfalls einige Exemplare, damit ihm die Resolution gegebenenfalls bei ähnlichen Bitten an die Behörden seines eigenen Landes von Nutzen sein kann.
Danach wurde der Vorschlag zur Wahl von vier Ehrenpräsidenten der Konferenz gemacht. Die Wahl fiel auf je zwei Vertreter der Turkologie und Mongolistik, nämlich die Herren Prof. Räsänen, Prof. [Jean] Deny, Pater A. Mostaert C. I. C. M. und Prof. Poppe. Prof. Räsänen, der als einziger der genannten Herren anwesend war, nahm die Wahl sofort dankend an. Die übrigen Herren wurden vom Generalsekretär schriftlich benachrichtigt und haben inzwischen ebenfalls die Wahl angenommen.
In einer Resolution an den “Türk dil kurumu” wurde die Bitte ausgesprochen, zum Zwecke der Pflege der Belange der allgemeinen Turkologie eine eigene Zeitschrift zu gründen, die sich nicht nur mit dem Türkeitürkischen befaßt. Die Mitglieder der Konferenz verpflichteten sich zur Mitarbeit an einer solchen Zeitschrift. Ein Vorschlag für eine Bitte an den “Türk dil kurumu”, die Zeitschrift Türk Dili Araştırmaları Yıllığı Belleten zweimal jährlich erscheinen und einzelne Arbeiten zusätzlich drucken zu lassen sowie nicht nur Beiträge in türkischer, sondern auch solche in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache aufzunehmen, wurde als Einmischung in den Redaktionsbereich einer nationalen Zeitung abgelehnt und den anwesenden Mitgliedern des “Türk dil kurumu” die private Durchführung dieses Vorschlages empfohlen.
In einer einstimmig angenommenen zweiten Resolution bat die Konferenz den Generalsekretär des “Türk dil kurumu”, dem im Druck befindlichen Band der Zeitschrift Saya made ağızı einen besonderen Anhang mit bibliographischen Angaben über die bisher erschienenen Bände anzufügen.
Als Termin für die nächste Tagung wurde die letzte Juni-Dekade 1960 bestimmt, doch ist eine Vor- oder Nachverlegung notfalls möglich. Die Tagungszeit wurde auf eine Woche verlängert (4 volle Arbeitstage, 1 Anreisetag, 1 Abreisetag, 1 Erholungstag). Tagungsort soll wieder Mainz sein. Mit der Vorbereitung der Tagung wurde wie im Vorjahre Prof. Heissig beauftragt.
Eine Aufspaltung der Sitzungen in turkologische und mongolistische wurde abgelehnt.
Auf der nächsten Tagung sollen 5 Problemkreise behandelt werden. Den Besprechungen soll wieder je ein Kurzreferat voraufgehen.

1.  Wortbildung (Behandlung des Verbstammes):
Referent bzw. Korreferent:
Türkisch: Prof. v. Gabain, Prof. Zajączkowski
Mongolisch: Prof. Poppe, mag. art. Thomsen
Tungusisch: Prof. Menges, Prof. Pritsak
Gesamtaltaisch: Prof. Aalto, Prof. Menges
2.  Texteditionen auf dem Gebiete der Altaistik
Referent: Prof. Rahmeti Arat.
3.  Stand und Aufgaben der altaistischen Disziplinen:
Referenten:
Turkologie: Dr. Mansuroğlu
Mongolistik: Prof. Poppe
Tungusologie: Prof. Menges
Allgemeine Altaistik: Prof. Posch.
4.  Stand der archäologischen Forschung (Gesamtübersicht über die Ausgrabungen in allerletzter Zeit):
Referenten: Prof. Jahn, Prof. Pritsak, Dr. Ögel, cand. phil. Sagaster.
5.  Quellen und Voraussetzungen einer mongolischen Geschichtsschreibung:
Referenten:
Lateinische und griechische Quellen zur zentralasiatischen Geschichte: Prof. Sinor
Persische Quellen: Prof. Jahn
Alttürkische Quellen: Prof. v. Gabain
Übrige türkische und andere Quellen: Dr. Temir
Slavische Quellen: Prof. Pritsak
Chinesische Quellen: Prof. Cleaves (vorausges. Einwilligung)
Rein mongolische Quellen: Prof. Heissig
Oiratische Quellen: Prof. Aalto.

Auf Vorschlag von Prof. Menges soll die UNESCO um einen Beitrag zur Reisefinanzierung gebeten werden.
An viele nicht anwesende ausländische Kollegen wurden Kartengrüße bzw. Telegramme versandt.
Im Anschluss an die Tagung wurden in Zusammenarbeit mit Inter Nationes, Bonn, die indische Kunstausstellung in der Villa Hügel in Essen besucht, zu der sich thematisch über den Buddhismus Beziehungen boten (27. 6. 1959).